Die leblose Prinzessin – ein russisches Märchen

Die leblose Prinzessin - ein Märchen aus Russland
Novellen - Kurzgeschichten - Bücher - Daniela Noitz

Es war einmal ein König, der sein Königreich verlassen und in den Krieg ziehen musste. Zurück ließ er auch sein schwangeres Weib, die geduldig am Fenster ihres Zimmers sitzen blieb, um auf seine Rückkehr zu warten. Während der König noch an fernen Plätzen weilte, gebar die Königin eine wunderschöne Tochter. Aber die harte und einsame Schwangerschaft und eine schwere Geburt forderten von ihr einen hohen Tribut und sie starb noch an dem Tag, an dem der König wieder nach Hause in sein Schloss zurück kam.

Ein Jahr lang weinte der König und war sehr traurig, aber einige Zeit später fand er eine neue Frau, die die neue Königin wurde. Sie war schlank, von zarter Gestalt und großer Schönheit. Aber sie war auch launisch, boshaft und eifersüchtig. Sie liebte es, in ihren kleinen Handspiegel zu schauen, ihr Haar zu kämmen und ihn zu fragen:

Spiegel, Spiegel in meiner Hand,

wer ist die schönste Frau im Land?

Der Spiegel antwortete ihr:

Meine Liebe, Ihr seid die schönste Frau,

Von zarter Gestalt, das Antlitz so weich

Und die Augen so blau.

Da kicherte die Königin stets wie ein kleines Mädchen und ging wieder ihren boshaften Angelegenheiten nach.

Währenddessen wuchs die Tochter des Königs auf und wurde zu einer wunderschönen und bezaubernden jungen Prinzessin. Mit ihren langen Wimpern und ihrer anmutigen Gestalt wurde sie sogar noch hübscher als die Königin. In Kürze sollte sie mit dem Mann ihrer Träume – dem tapferen Prinzen Jelisey verlobt werden.

Kurz nach Bekanntgabe der Verlobung fragte die Königin wieder ihren kleinen Spiegel, der der ehrlichste von allen Spiegeln war. Und der Spiegel antwortete:

Meine Liebe, Ihr seid eine schöne Frau,

Doch die Schönste ist die Prinzessin,

Das weiß ich genau.

Die Königin war außer sich, schimpfte den Spiegel und warf ihn auf einen Stuhl. Sie war so wütend, dass sie eine Kammerfrau rief und dieser befahl, dass die Prinzessin in den tiefsten Teil des dunkelsten Waldes gebracht, dort an einem Baum gebunden und den Wölfen zum Fraß überlassen werden solle.

Die Kammerfrau, die sich nicht traute, der Königin zu widersprechen, brachte die Prinzessin selbst in den tiefsten Teil des dunkelsten Waldes und ließ sie dort. Da sie aber Mitleid mit der Prinzessin hatte, band sie sie nicht an einen Baum.

Die Prinzessin lief alleine durch den Wald und erspürte ihren Weg zwischen hohen alten Eichen. Als es Morgen wurde, fand sie den Weg zu einem alten Landhaus. Als sie näher kam, kam von dort ein Hund näher, bellte und machte ihr große Angst. Er nährte sich vorsichtig, roch an ihren Beinen und lief dann mit wedelndem Schwanz um sie herum und wirkte gleich viel weniger bedrohlich, so dass die Prinzessin ihren neuen Freund lobte und streichelte.

Dann ging sie in das Haus und sah, dass niemand zu Hause war. Alles war recht prächtig mit Möbeln aus gutem Eichenholz ausgestattet und an der Wand hingen Ikonen mit Bildern von Heiligen. Sie sah gleich, dass ehrliche und gute Leute hier wohnten und fühlte sich gleich weniger unsicher. Sie ging durch das ganze Haus und gegen Nachmittag legte sie sich todmüde in ein Bett, um sich dort auszuruhen.

Eine kurze Zeit später kamen die Besitzer des Hauses, sieben tapfere Ritter, zurück. Sie bemerkten gleich, dass sich etwas geändert hatte, ihr Haus war aufgeräumt und alles war sauber und blitze und blinkte, dass es eine Freude war. Da entdeckten sie die Prinzessin, die sich für ihr Eindringen gleich bei ihnen entschuldigte. Die Ritter jedoch waren guten Herzens und nahmen sie in ihrem Haushalt auf wie eine eigene Schwester.

Die Tage vergingen ruhig und friedlich. Wenn die Ritter auf der Jagd waren, machte die Prinzessin das Haus sauber und bereitete ihnen das Essen. Die Ritter fanden sie zauberhaft und von größter Anmut, dass sie sie fragten, ob sie sich nicht einen von ihnen zum Gemahl erwählen wolle. Doch sie wies ihr Ansinnen höflich zurück und sagte ihnen, dass sie sie zwar alle liebe, aber nur wie Brüder. Sie erzählte ihnen von der Liebe ihres Lebens, den Prinzen Jelisey.

Währenddessen im Schloss nahm die Königin wieder ihren Spiegel und fragte ihn wieder, wer die Schönste im Königreich sei. Doch der Spiegle antwortete:

Meine Liebe, Ihr seid eine schöne Frau,

Doch eine schönere gibt es immer noch genau

Die Prinzessin ist die schönste Frau.

Da erkannte die Königin, dass die Kammerfrau sie hintergangen hatte und die Prinzessin nicht tot war. Sie rief die Kammerfrau zu sich und drohte ihr: „Wenn du sie nicht tötest, hast du dein eigenes Leben verwirkt!“

Eine kurze Zeit später verkleidete sich die Kammerfrau als alte Bettlerin und lief zum Haus der sieben Ritter. Der Hund bellte sie feindselig an, knurrte und lies sie nicht hinein. Die Prinzessin jedoch kam in ihrer Freundlichkeit aus dem Haus und gab der vermeintlichen Bettlerin ein frisches Brot. Die Bettlerin gab ihr dafür einen roten saftigen Apfel. Da kam der Hund heran und bellte die Prinzessin an, als wollte er sie warnen. Aber die Prinzessin verstand ihn nicht und schob den Hund sanft zurück. Dann ging sie zurück ins Haus.

Etwas später wurde sie sehr hungrig, während sie auf die Rückkehr der Ritter wartete und biss in den Apfel hinein. Plötzlich wurde sie ganz bleich, fiel auf eine nahe Bank und tat ihren letzten Atemzug.

Die Ritter kamen zurück nach Hause und hörten schon von Weitem das wilde Gebell des Hundes. Sie wussten sofort, dass etwas Schlimmes passiert sein musste und als sie die Tür öffneten, rannte der Hund in das Zimmer der Prinzessin. Er aß den Rest des Apfels, damit die Ritter nicht auch durch ihr vergiftet wurden und starb so für die Gesundheit und das Wohl seiner Meister.

Die Augen der Ritter füllten sich mit Tränen, als sie den leblosen Körper der Prinzessin erblickten. Zuerst wollten sie ihr gleich ein würdiges Begräbnis geben, aber dann warteten sie. Sie wirkte wie in einem tiefen, friedlichen Schlaf, so still und frisch sah sie aus. Aber nach drei Tagen gaben sie die Hoffnung auf und legten sie in einen Sarg, der aus Kristall gemacht war. Dann nahmen sie den Sarg und trugen ihn zur letzten Ruhe in eine kleine Höhle.

„Schlafe Prinzessin in diesem Sarg“ sagte der älteste Ritter. „So bald hast du uns verlassen. Möge der gnädige Gott deine Seele im Himmel aufnehmen.“

Am gleichen Tag nahm die Königin wieder ihren Spiegel und fragte ihn, wer die Schönste sei. Dieser antwortete wieder:

Meine Liebe, Ihr seid die schönste Frau,

Von zarter Gestalt, das Antlitz so weich

Und die Augen so blau.

Da war die Königin wieder zufrieden.

In dieser ganzen Zeit war der Prinz Jelisey im Königreich unterwegs gewesen, um seine verlorene Liebe zu finden. Er fragte die Sonne und den Mond, wo die Prinzessin sei, doch beide wussten sie es nicht. So fragte Jelisey den Wind. Und der Wind wusste, wo die Prinzessin war und beschrieb ihm sogleich den Weg. Der Prinz machte sich sofort auf die Reise.

Keine Worte können seinen tiefen Schmerz beschreiben, als er bei der Höhle ankam und die Prinzessin in ihrem Kristallsarg liegen sah. Weinend brach Jenisey zusammen, und schlug mit seinen Fäusten in unbeschreiblichem Gram auf den Sarg. Da sprang der Deckel des Sarges auf und die Prinzessin setzte sich auf und war wieder am Leben.

„Oh, wie lange habe ich geschlafen?“ sagte sie. Dann sah sie ihren Prinzen und fiel ihm in die Arme mit Tränen der Freude. Sie kehrten zusammen zurück zum Königsschloss, heirateten und die Hochzeit wurde mit großer Pracht gefeiert. Die Königin schließlich starb vor Gram, als sie sah, dass die Prinzessin wieder am Leben war und den Platz als Schönste im ganzen Königreich wieder besetzt hielt.

Märchen aus Russland 

+1
0
+1
0
Dieses Bild teilen:
Alfahosting - Homepage-Baukasten

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Mut zur Selbstverantwortung: Werde zum Gestalter deines Lebens!
Anwendungsbeispiele für aleppo olivenölseife mit totes meer salz.